Wer denkt, dass ein Einkaufsbummel immer durch bunte Boutiquen oder gut sortierte Online-Shops führt, der hat noch nie die stille Magie eines Sägewerks erlebt. Für mich als Schemenschnitzer beginnt hier die eigentliche Kunst: bei der Wahl des richtigen Lindenholzes.
Die unsichtbare Qualität
Lindenholz ist für uns Schnitzer ein wahrer Schatz. Seine weiche Struktur und die feine Maserung machen es ideal für detaillierte Arbeiten. Doch genau das stellt uns vor eine große Herausforderung: Was von außen wie ein makelloser Holzstamm aussieht, kann sich im Inneren als Enttäuschung entpuppen. Risse, Astlöcher oder andere Unregelmäßigkeiten machen das Holz zur Herstellung einer Villinger Scheme unbrauchbar. Deshalb steht bei der Auswahl im Sägewerk vor allem eines im Vordergrund: der Blick für das Unsichtbare. Die Entscheidung, welcher Stamm mit in meine Werkstatt kommt, ist immer eine Mischung aus Erfahrung, Instinkt und einer Prise Abenteuerlust.
Geduld: Der verborgene Schlüssel zur Perfektion
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Zeit. Auch das beste Lindenholz muss nach dem Sägen lange trocknen und lagern, bevor es verarbeitet werden kann. Manchmal vergehen Jahre, bis aus einem frisch geschlagenen Stamm ein Block wird, der bereit ist, in meiner Werkstatt zum Leben erweckt zu werden. Doch die Geduld zahlt sich aus: Das Holz wird stabiler, kleine Spannungen bauen sich ab, und ich kann sicher sein, dass die fertige Scheme ein Leben lang hält. Eine gut geschnitzte Villinger Scheme ist schließlich mehr als nur ein Handwerk – sie ist ein Teil der Tradition, ein Stück Kultur und manchmal auch ein kleines Kunstwerk.
Die Überraschung im Block
Es gibt jedoch Momente, in denen der Moment der Wahrheit erst in meiner Werkstatt kommt. Sobald die Holzstämme in handliche Blöcke gesägt sind, offenbart sich ihr wahres Gesicht. Manchmal erlebe ich eine böse Überraschung, wenn ein versteckter Riss oder eine unvorhergesehene Struktur das Holz unbrauchbar macht. Doch viel öfter ist es die Freude, wenn ich sehe, dass das Material perfekt ist – bereit, um sich in ein Morbili oder Surhebel zu verwandeln.
Fazit: Die Schönheit des Ungewissen
Ein Besuch im Sägewerk ist für mich keine gewöhnliche Shoppingtour. Es ist ein Ritual, das den Grundstein für meine Arbeit legt. Mit jedem Lindenholzstamm, den ich auswähle, beginnt eine Reise voller Überraschungen, Herausforderungen und der stillen Freude, aus einem Stück Natur etwas Besonderes zu schaffen. Wenn ich dann in meiner Werkstatt bin und die ersten Schnitte ansetze, weiß ich, dass sich die Geduld gelohnt hat. Denn am Ende steht nicht nur eine fertige Scheme, sondern auch die Bestätigung, dass die Kunst des Schnitzens schon lange vor dem ersten Schnitt beginnt – im Sägewerk, auf der Suche nach dem perfekten Holz.